4.-6. Dezember 2017 

Berührende Wiederverlegung der geschändeten Stolpersteine in der Hufeisensiedlung

Genau einen Monat nach dem schamlosen Angriff auf das Gedenken an die sieben antifaschistischen Widerstandskämpfer in unserer Siedlung wurden am Montag, dem 4.12.2017, die ersten beiden Stolpersteine in der Onkel-Bräsig-Str. erneuert, fest in Beton verankert.

feierliche Wiederverlegung des Steins von Stanislav Kibicki am 4.12.2017
Ein Trompeter der Musikschule Neukölln eröffnete die Ehrung vor dem Haus mit der Nr. 46.
Hier hatte der Anarchist, Maler und Schriftsteller Stanislaw Kubicki gewohnt, bevor er im polnischen Exil von der Gestapo 1942 ermordet wurde. Mehr als 100 Personen hörten der Würdigung von Bürgermeisterin Dr. Giffey und den Worten von Dr. Karol Kubitzki, dem Sohn des Ermordeten, zu, bevor Isabel Neuenfeldt mit einem vertonten Gedicht von Erich Mühsam, dem Freund von Stanislaw Kubicki, den ersten Teil der Ehrung beendete.

feierliche Wiederverlegung des Steins von Hans-Georg Vötter am 4.12.2017
Anschließend ging es zum Haus Nr. 111, zu dem Stein von Hans-Georg Vötter. Schüler*innen der Fritz-Karsen-Schule berichteten über seine Widerstandstätigkeit und Ermordung. Mittlerweile war die Teilnehmerzahl weiter angewachsen, da ganze Klassen der Fritz-Karsen-Schule sich an dem Gedenken beteiligten. Viele Schüler*innen hielten Rosen in ihren Händen, die sie anschließend vor dem Haus niederlegten. Begleitet wurde diese Zeremonie von Degenhardts Zündschnüre-Lied, das eindrucksvoll von Isabel Neuenfeldt vorgetragen wurde.

feierliche Wiederverlegung des Steins von Wienand Kaasch am 5.12.2017
Einen Tag später versammelten sich ca. 60 Menschen, um die drei Personen zu würdigen, deren Stolpersteine in der Parchimer Allee aus dem Pflaster gerissen und geraubt worden waren. Gemeinsam zogen Mitglieder der IG Metall, die aus ihrer Bildungsstätte in Spandau angereist waren, der SPD-Abteilung Hufeisensiedlung und von Hufeisern gegen Rechts sowie weitere Anwohner*innen zu den geschändeten Orten, an denen jetzt neue Messingplatten aus dem Pflaster blinkten.
Chaja Böbel von der IG Metall wies am Stein von Wienand Kaasch auf den wachsenden Einfluss rechtspopulistischer Parteien hin und forderte die Anwesenden auf, das Gedenken an diese Widerstandskämpfer nicht als historisches zu betrachten, sondern aktuelle Schlussfolgerungen aus ihrem Denken und Handeln zu ziehen. Konkret heiße das, den Rechten in den Betrieben und auf der Straße den Weg zu versperren und auch die Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaft mit nationalistischen und rassistischen Auffassungen nicht zu scheuen.


feierliche Wiederverlegung des Steins von Gertrud Seele am 5.12.2017
Vor dem Haus Nr. 75 sprach Andreas Schmidt von der Abteilung Hufeisensiedlung der Neuköllner SPD über das Leben von Getrud Seele und mahnte ebenfalls Wachsamkeit gegenüber den aktuellen rechten Tendenzen an.

Schließlich wurde die Ehrung mit dem Gedenken an Heinrich Uetzfeld vor dem Haus Nr. 7 beendet. Hier erinnerte Jürgen Schulte von Hufeisern gegen Rechts an den Sozialisten, der Ende 1933 verhaftet und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden. feierliche Wiederverlegung des Steins von Heinrich Uetzfeld am 5.12.2017
Doch die Nazis konnten seine Haltung nicht brechen. Nach seiner Entlassung schloss er sich erneut dem Widerstand an und sammelte versprengte Genossinnen und Genossen, um die von der Gestapo weitgehend zerschlagenen Strukturen zu reorganisieren. 1940 wurde er erneut festgenommen und ins KZ Dachau geschleppt. Ungebrochen ist er ein Jahr später an den Folgen der Folterung verstorben. Auch sein Lebensweg lehrt uns, rechtzeitig den Kampf auf dem Boden der Demokratie gegen Faschismus und Rechtspopulismus zu führen, für eine soziale Gesellschaft von Gleichberechtigten, ein Gemeinwesen, für das Heinrich Uetzfeld und viele andere Widerstandskämpfer ihr Leben lassen mussten.

feierliche Wiederverlegung des Steins von Rudolf Peter am 6.12.2017
Die letzten beiden Stolpersteine in unserer Siedlung wurden am Mittwoch, dem 6.12. vor den Häusern der Gielower Str. 32 und 28 verlegt. Bärbel Schindler-Saefkow, Tochter des Widerstandskämpfers Anton Saefkow, und Constanze Lindemann von verdi bezogen sich in ihrer Würdigung des 1945 an den Haftbedingungen verstorbenen Gewerkschafters Rudolf Peter auf die Bedeutung der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe für die heutige gewerkschaftliche Arbeit. Die Schändung der Steine sei Beweis genug, dass die Feinde der Demokratie das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen - und ihnen dazu jedes Mittel recht ist. Der Aufbau dieser großen Widerstandsorganisation über die Parteigrenzen hinweg habe den Weg gewiesen, nach dem Ende der faschistischen Herrschaft parteiunabhängige Einheitsgewerkschaften als demokratische Interessenvertretung der Arbeiterschaft aufzubauen.

feierliche Wiederverlegung des Steins von Georg Obst am 6.12.2017
Den Abschluss der drei Gedenktage bildete die Ehrung des Sozialdemokraten Georg Obst. Achim Berger von Hufeisern gegen Rechts zeichnete Stationen aus dem Leben des Widerstandskämpfers der ersten Stunde nach und beschrieb eindrucksvoll den Terror, mit dem die Faschisten von Anfang an den Widerstand im Keim ersticken wollten. Georg Obst hat sich selbst geopfert, um diesem Terror nicht zu unterliegen.

So verschieden die sieben Widerstandskämpfer*innen waren, denen in diesen drei Tagen in der Hufeisensiedlung gedacht wurde, so stellen sie doch gemeinsam etwas Bedeutendes dar: ihr persönlicher Mut, ihre Unbeirrbarkeit selbst in der vollständigen Isolation, die Lauterkeit ihrer Motive.

Allein ihre Existenz widerspricht der These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes und belegt, dass es auch in der Zeit des faschistischen Terrors Menschen gab, die für ein anderes, besseres Deutschland mit ihrem höchsten persönlichen Einsatz gekämpft haben.

Nehmen wir die wiederverlegten Stolpersteine zum Anlass die Geschichte dieser Menschen weiter zu verbreiten und in ihrer Tradition zu handeln - gegen Rassismus und Nationalismus - für ein demokratisches, soziales Miteinander.

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